Stadtentwicklung / Geschichtliches Bad Hersfeld
Auf den Relikten einer im Jahr 736 gegründeten Einsiedelei errichtete 769 der angelsächsische Geistliche Lull, ein Begleiter des Bonifatius und dessen Nachfolger auf dem Mainzer Bischofsstuhl, ein Benediktinerkloster. Dieses sollte bei der Missionierung der Sachsen und Thüringer eine Rolle spielen und wurde daher bereits 775 vom Frankenkönig Karl (ab 800 Kaiser) zur Reichsabtei erhoben; sie besaß die Immunität und das Recht der freien Abtswahl. 837 Jahre lang hat die Abtei bestanden bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1606, als der größte Teil ihres Territoriums an die Landgrafschaft Hessen fiel. Unter ihren insgesamt 66 Äbten hat die Abtei einen etwa vierhundert Jahre anhaltenden Aufstieg und Wohlstand erlebt, die übrige Zeit ist gleichzusetzen mit Stillstand und raschem Niedergang.
Noch immer sichtbares Zeugnis aus der Zeit des Wohlstandes ist die Ruine der mächtigen, weitgehend aus frühromanischer Zeit stammenden kreuzförmigen Großbasilika mit ihren erstaunlichen Ausmaßen (Langhaus: 102,80 m, Querhaus: 56,50 m). Bis etwa 1200 hatte die Abtei zeitweilig Einfluss auf die Reichspolitik, denn Kaiseraufenthalte waren in Hersfeld nicht selten. Markantes Beispiel ist die Zeit des Investiturstreites, als Kaiser Heinrich IV mit Unterstützung des Abtes Hartwig von Hersfeld aus seine militärischen Aktionen gegen seine Widersacher organisierte. Es war zugleich eine Epoche, in der die Abtei Pflegestätte mittelalterlicher Kultur war. In ihren Mauern lebte der Mönch Lambert, einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber des Mittelalters. Die Reichsgesetzgebung des Staufers Friedrich II verwandelte die Reichsabtei in ein geistliches Fürstentum, das sich nun nicht mehr auf eine kaiserliche Schutzmacht verlassen konnte. Wegen des Fehlens einer eigenen Machtbasis war die Abtei zunehmend auf die Hilfe adliger Vögte angewiesen, so dass es immer schwerer wurde, den umfangreichen Streubesitz, der vom Rhein bis zur Elbe reichte, auf Dauer zusammenzuhalten.
Im Umfeld des Klosters hatte sich schon früh eine Marktsiedlung gebildet, die 1170 erstmals in einer Urkunde als Stadt erwähnt wird. Wann sie die Stadtrechte erhalten hat, ist unbekannt. Die Bürgerschaft trat gegenüber dem Abt immer selbstbewusster auf, was sie auch durch den Bau der großen gotischen Hallenkirche zeigte, die (noch ohne Turm) im 14. Jahrhundert entstand. Die Vitalisnacht (28. April) des Jahres 1378 ist typischer Ausdruck eines unheilvollen Konflikts, in den beide Seiten schuldhaft verstrickt waren. Um den Verselbständigungsprozess der Stadt aufzuhalten, wollte der Abt mit Hilfe des Ritterbundes der Sterner bei Nacht die Stadt überfallen. Das Unternehmen scheiterte, aber Opfer wurden beide Seiten, denn die Abtei geriet nun in der Folgezeit zunehmend unter den Einfluss der Landgrafschaft Hessen, was auch für die Stadt ein Absinken zu einem zweitrangigen hessischen Landstädtchen zur Folge hatte. In der Reformationszeit wurde das gesamte Hersfelder Umland protestantisch, so dass die Überlebenschancen der Abtei weiter sanken. Der Bauernkrieg machte die Ohnmacht des klösterlichen Landesherrn deutlich: ein Bauernheer besetzte die Stadt und plünderte den Klosterbezirk. 1606 schließlich übernahm die Landgrafschaft Hessen, nach dem Tode des letzten Abtes, das Territorium der Reichsabtei.
Unter den Begleiterscheinungen des Dreißigjährigen Krieges hatte die Stadt schwer zu leiden. 1623 - 1625 war die Stadt Hauptquartier des kaiserlichen Feldherrn Tilly. Nach Kriegsende war die Wirtschaftskraft ruiniert, die Stadt stark zerstört und die Bevölkerung auf ein Drittel (etwa 1.000) des Vorkriegsstandes reduziert.
Im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) vernichtete ein Großbrand die gesamten Klosteranlagen. Wegen einer überstürzten Flucht hatten französische Besatzungstruppen alle Futtervorräte, die in der alten Klosterkirche lagerten, angezündet. Ein weiteres Kriegsereignis bedrohte die Existenz der Stadt, die 1807 auf Befehl Napoleons geplündert und eingeäschert werden sollte, was aber von dem badischen Oberstleutnant Lingg verhindert wurde.
Nach zwei Jahrhunderten des wirtschaftlichen Stillstandes fand Hersfeld im 19. Jahrhundert Anschluss an die Industrieentwicklung. Eine beachtliche Tuchindustrie entstand, daneben aber auch andere Industriezweige. Die Bevölkerungszahl stieg vor dem Ersten Weltkrieg über 10.000.
Um die Jahrhundertwende war Konrad Duden, der Begründer der neuen deutschen Orthographie, Leiter des königlich preußischen Gymnasiums in Hersfeld.
1904 wurde durch die Erbohrung einer Heilquelle die Voraussetzung für die Entstehung des Kurbades geschaffen. Seit 1949 darf sich die Stadt „Bad Hersfeld" nennen und 1963 wurde sie Hessisches Staatsbad. 1997 ging der Kurbetrieb in eine Kurverwaltungs-GmbH über.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete eine Zäsur in der Stadtentwicklung / Geschichtliches. Hersfeld hat Jahrhunderte lang im Zentrum des deutschen Reiches gelegen. Durch die deutsche Teilung geriet es innerhalb der Bundesrepublik in eine Randlage, denn die Verkehrs- und Wirtschaftsverbindungen nach Osten rissen ab oder wurden auf ein Minimum reduziert. Die Wirtschaftsstruktur veränderte sich völlig, denn die ehemals wichtige Tuchindustrie besaß wegen der einseitigen Ausrichtung auf Uniformtuche keine Basis mehr. Neue Industrien wurden angesiedelt.
Bad Hersfeld liegt seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten 1989 wieder mitten in Deutschland. Die Die Einwohnerzahl istzahl stieg auf über 33.000.
Die alte Klosterkirche, unsere heutige Stiftsruine, spielt seit 1951 eine neue Rolle: sie dient als stimmungsvoller Rahmen und akustisches Wunder und nicht zuletzt als Kulisse der jährlich im Juni/Juli/August stattfindenden Bad Hersfelder Festspiele.
(Quelle: Website)
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